Die Mauer der Lüge

„Du hast doch was getrunken oder was genommen, oder?“ – „Nee, wieso?“: Insbesondere Angehörige Suchtkranker kennen diese Gesprächseröffnung und wissen schon zu Beginn, wohin sich das Gespräch entwickeln wird. Verschiedene Strategien wurden bereits versucht, nichts hat bei dem geliebten Menschen zu einer Verhaltensänderung geführt. Und natürlich sieht jene Person das ganz anders, denn er_sie hat ja eigentlich kein Problem, oder?

Marc und Dirk sprechen in dieser Folge über die „Mauer der Lüge“, die durch die Suchterkrankung aufgebaut wird und die nur schwer zu überwinden ist. Hilfreich für die angehörige Person kann eine Selbstreflexion in professioneller Begleitung (Coach_in, Therapeut_in, etc.) sein, um nicht der Suchterkrankung des Gegenübers die Kontrolle zu überlassen. Es gilt Ansatzpunkte zu erkennen, um einerseits selbst die Steuerung in konflikthaften Gesprächssituationen zu behalten. Andererseits ist es wichtig, einige „Löcher“ in der „Mauer“ zu erkennen, um mit dem Gegenüber wieder eine gemeinsame Ebene des Vertrauens und der Verständigung zu finden.   Ein Tool für diese reflexive Arbeit ist der Selbststeuerungskreis nach Krüger (2010), der durch eine_n Therapeut_in oder Coach_in professionell angeleitet werden sollte. In der Episode beschreibt Dirk aber auch einen „Selbststeuerungskreis light“ für Angehörige, der für ständig wiederkehrende Konfliktsituationen mit einem suchtbelasteten, nahestehenden Menschen angewendet werden kann. Auch hier dient er der Reflexion für die angehörige Person und sollte bestenfalls begleitet werden. Mit entsprechender Übung in Selbstreflexion kann er auch in Einzelarbeit z.B. als Vorbereitung auf die nächste Sitzung der Selbsthilfegruppe oder das nächste Gespräch mit dem_der Coach_in / Therapeut_in durchgeführt werden. Wichtig: Nicht in einer akuten Krisen- oder Stresssituation anwenden. Der Ablauf ist wie folgt:

  1. Ein Blatt Papier und einen Stift zur Hand nehmen, dann als ersten Punkt ein Wort aufschreiben, das für die Eskalation des letzten Konfliktes steht (z.B. das kurzschlussartige Verlassen der gemeinsamen Wohnung). -> Darunter schreiben: a) Was habe ich in dieser Situation getan? b) Was habe ich dabei gedacht? c) Was habe ich dabei gefühlt?
  2. Von dieser Situation ausgehend, versucht man die Szene langsam rückwärts laufen zu lassen: Was ist direkt vor dieser Eskalation passiert? Die Antwort als Begriff oder Satz aufschreiben. -> Zu dieser nächsten Situation ebenfalls wieder dazuschreiben: a) Was habe ich in dieser Situation getan? b) Was habe ich dabei gedacht? c) Was habe ich dabei gefühlt?
  3. Das setzt man jetzt fort Situation für Situation, wie in einem Film, der langsam rückwärts läuft. Häufig kann eine befreundete Person als Feedback-Gegenüber dabei helfen.
  4. Die Übung ist fürs Erste beendet, wenn man in der Szene in der Situation angekommen ist, in der noch alles friedlich war. Auch hier wird notiert: a) Was habe ich in dieser Situation getan? b) Was habe ich dabei gedacht? c) Was habe ich dabei gefühlt?
  5. Wo erkennen Sie Handlungsoptionen, die z.B. eine Eskalation verhindern? Erkenne ich „Löcher“ in der „Mauer der Lüge“?

Schreibt uns gerne ins Feedback. wie ihr mit der Übung klar gekommen seid. Habt ihr weitere Anregungen und Ideen?  

Shownotes:

Ein ausführlicher Artikel zum Selbststeuerungskreis: https://link.springer.com/article/10.1007/s11620-010-0075-4   Eine Beschreibung findet sich ebenfalls in Stadler, C./ Spitzer-Prochazka, S./ Kern, E./ Kress, B. (2016): Act creative! Effektive Tools für Beratung, Coaching, Psychotherapie und Supervision. Stuttgart: Klett-Cotta. S. 172-175.

Photo by Jon Tyson on Unsplash

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